Was ich unter Gestalttherapie verstehe
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Es gibt verschiedene Vorstellungen von dem, was unter Gestalttherapie verstanden wird. Mein Verständnis dieser faszinierenden Therapieform wurde grundlegend geprägt von Werner Bock, Frank-M. Staemmler und dessen Frau Barbara, bei denen ich im Zentrum für Gestalttherapie in Würzburg gelernt habe. Demnach ist Gestalttherapie eine Form der Psychotherapie, die im Spannungsfeld einer unterstützenden und fordernden Ich-Du-Beziehung die Bewusstheit des Klienten von sich fördert. Dies geschieht im Vertrauen darauf, dass das im persönlichen Kontakt zwischen Klient und Therapeut erfolgende deutliche Erleben von dem, was ist, die wesentliche Voraussetzung für ganzheitliche menschliche Veränderung ist.
Fritz Perls, der gemeinsam mit seiner Frau Lore und mit Paul Goodman die Gestalttherapie 1951 begründete, hat diese Therapieform beschrieben mit den Worten „I and Thou – Here and Now“ (Ich und Du – hier und jetzt). In dieser prägnanten Kurzbeschreibung und in der vorangegangenen Definition der Gestalttherapie stecken die für mich wichtigsten Begriffe: Ich-Du-Beziehung, persönlicher Kontakt, Bewusstheit und Prozess.
Die Bereitschaft, mit Klienten im Rahmen der Therapie eine längerfristige persönliche Beziehung einzugehen, ist Grundlage meiner gestalttherapeutischen Haltung, die sich in einem immer wieder erneuerten Angebot persönlichen Kontakts äußert. Das Wort "persönlich" verweist hier auf eine dialogische Sicht der therapeutischen Beziehung, in der ich als Therapeut meinem Klienten als in meiner Individualität erkennbare Person auf Augenhöhe begegne, und mich bemühe, den Klienten in seiner Einzigartigkeit und Ganzheit zu verstehen und zu bestätigen.
Dabei ist es für mich nicht wichtig, welche "psychische Störung" der Klient hat, ich klassifiziere ihn auch nicht im Sinne traditioneller Diagnostik. Ich interessiere mich viel mehr dafür, womit der Mensch, der mich um Unterstützung bittet, existentiell beschäftigt ist, womit er in seinem Leben unzufrieden ist, wie er sich verändern möchte, und wie er selbst dazu beiträgt, nicht zu dem zu kommen, was er sich eigentlich vom Leben erhofft. Daraus ergeben sich die Themen, die in der Therapie bearbeitet werden.
Bei der Arbeit an diesen Themen unterstütze ich den Klienten dabei, seine sich von Moment zu Moment verändernde subjektive Realität so deutlich wie möglich mit Bewusstheit zu erfahren, denn diese Bewusstheit ist der wesentliche Wirkfaktor. Das ganzheitliche selbst verantwortete konsequente Wahrnehmen und Erleben des Klienten von sich ist wesentliche Voraussetzung für die von ihm erwünschte Veränderung. Bei konsequenter Umsetzung kommen Veränderungsprozesse in Gang, die in der Regel einem beschreibbaren Muster folgen: der Klient durchlebt typischerweise fünf Phasen, an deren Ende er die jeweilige Thematik als abgeschlossen empfindet.